Herzlich willkommen! Diese Open Educational Resources (OER) vermitteln Ihnen als Lehrende an Hochschulen, welche Rolle die Beratung von Studierenden, gerade auch zu persönlichen Problemen, in der Lehre spielt, und führt Sie in die Welt der Onlineberatung ein. Die OER dienen auch als Hinführung und Vorbereitung auf unsere Weiterbildungen für Lehrende und Mitarbeitende an Hochschulen, die Studierende digital begleiten möchten, wie zum Beispiel unsere Weiterbildung „Digital begleiten und beraten in der Lehre“. Die OER und die Weiterbildung „Digital begleiten und beraten in der Lehre“ wurden im Rahmen des Projekts STARFISH entwickelt (2021-2025) und im Rahmen der Förderlinie „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“ durch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre, Treuhandstiftung in Trägerschaft der Toepferstiftung gGmbH, gefördert.
Warum ist Beratungskompetenz im Hochschulkontext wichtig?
Der Wandel der Hochschullehre – weg von einer linearen Einspeisung des Wissens hin zu kollaborativen und proaktiven Lehrformaten, die die Studierenden aktiv in den Lernprozess involvieren wollen – hat bereits vielerorts begonnen und schreitet nicht zuletzt getrieben durch die digitale Transformation stetig voran. Als ein wesentliches Merkmal von Qualität in Lehre und Studium gilt, den Kompetenzerwerb von Studierenden optimal zu fördern. Dies gelingt durch eine entsprechende studierendenzentrierte Gestaltung der Lernumgebung (Hochschulrektorenkonferenz 2010). Um die Lehrenden für diese Herausforderungen zu rüsten, wird jedoch das entsprechende Handwerkszeug benötigt. Didaktische und fachliche Kompetenzen alleine reichen dafür nicht aus, Lehrende werden zunehmend gefordert gegenüber ihren Studierenden die Rolle eines Coaches einzunehmen (Klein 2022):
„Die primäre Aufgabe von Lehrenden besteht nicht nur allein in der Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, sondern auch in der Schaffung förderlicher Lernumgebungen, d. h. der Initiierung, Begleitung und Moderation von Lernprozessen. Ebenso ist es deren Aufgabe, Lernziele zu formulieren und Teilnehmenden im Lernprozess kontinuierlich zu unterstützen. Als Lernberater*innen sollten sie außerdem den Lernprozess gemeinsam mit Lernenden besprechen und ihnen Anregungen für ihre individuelle Lernprozessgestaltung geben (vgl. Wiesner et al. 2002a)“ (Görl-Rottstädt 2021:39).
Neben den Herausforderungen, denen Studierende in der Auseinandersetzung mit den fachlichen Inhalten des Studiums oder der nötigen Selbstorganisation begegnen, wie etwa im Bereich Lernplanung, Lerntechnik, Lernprozessgestaltung oder auch Metakognition, können persönliche Belastungen große Auswirkungen auf die Studienleistungen und den Studienerfolg insgesamt wie auch auf das allgemeine Wohlbefinden der Studierenden haben. Forschungen dazu zeigen, dass beispielsweise die psychische Gesundheit (u.a. Stress), finanzielle Schwierigkeiten, familiäre Probleme oder soziale Isolation erheblichen Einfluss haben.
Lehrende spielen eine bedeutende Rolle dabei, ein unterstützendes Lernklima und ein positives Lernumfeld zu schaffen. Mangelndes Verständnis und eine rigide Lern- und Prüfungsorganisation können die psychischen Belastungen selbst und ihre Auswirkungen beim Studienerfolg noch verstärken. Günstig sind mitunter wiederum, auch und insbesondere für das Bewältigen psychisch belastender Situationen während des Studiums:
- Empathisches Verhalten und Verständnis (Ampofo et al. 2025)
- Flexible Lösungen (z.B. Prüfungsformen und -fristen, Nachholmöglichkeiten)
- Entstigmatisierung und Sensibilisierung für mentale Gesundheit durch Thematisierung von psychischer Gesundheit, Stressbewältigung und Resilienz in Lehrveranstaltungen
- Vermittlung von Techniken zur Selbstorganisation und -regulation (z.B. Zeitmanagement) für eine höhere Selbstwirksamkeit, auch in Stresssituationen
- Individuelle Beratung
Beratung ist heute integrativer Bestandteil moderner Lehre. Doch was heißt Beratung und Begleitung eigentlich genau?
Was sind die Herausforderungen von Lehrenden in der Beratung von Studierenden?
Welche Rolle habe ich als Lehrender?
Neben der Beratung sind Lehrende heutzutage mit einer Vielzahl an Rollen konfrontiert, die sie ausfüllen und in Einklang bringen müssen. Es kann hilfreich sein sich dieser unterschiedlichen Rollen zunächst bewusst zu werden, um auszuloten welchen Raum Beratung hier einnehmen kann und soll.

Reflexionsübungen: Welche Rollen nehmen für Sie welchen Raum ein? Welche Bedeutung hat für Sie Begleiten und Beraten hierbei? Gibt es Rollenkonflikte?
Als Lehrender müssen Sie sich im Klaren werden, welche Rolle Sie in puncto Beratung/Begleitung einnehmen wollen und können.
Um mit den Ratsuchenden in einen Dialog zu kommen, bedarf es der Klärung, welche Form der Beratung man anbieten kann und möchte und was Beratung im Kontext des eigenen Berufsfeldes eigentlich bedeutet. „Gerade in stark informationshaltigen Beratungsfeldern ist das Verhältnis von Information zu Beratung relevant, um das eigene professionelle Handeln strukturieren zu können“ (Sickendiek 2021: 33). Die Klärung der eigenen Beratendenrolle, die Wahrung von Grenzen und die Verteilung von Zuständigkeiten bedarf daher zunächst der Reflexion des Beratenden. Dies scheint besonders im Hochschulkontext wichtig. Gerade in der Lernberatung und -begleitung sind die Dozierenden, die Studierende in den Seminaren und Veranstaltungen in ihrer Lernentwicklung unterstützen, teils mit einer diffusen Rollenzuteilung konfrontiert. Denn Beratung findet hier auch immer in einem Bewertungs- und Leistungszusammenhang statt, indem die Dozierenden Beratende und Prüfer zugleich sind.
Hinzu kommt, die eigenen Zuständigkeiten und Grenzen im Beratungskontext zu kennen. Ggfls. ist es notwendig die Studierenden an spezialisierte Beratungsstellen weiterzuvermitteln (Verweisberatung). Das muss allerdings nicht unbedingt heißen, dass die Ratsuchenden ausschließlich von der anderen Stelle beraten werden, es kann auch als Ergänzung verstanden werden (Mann et al. 2022).
Beispiel: Ein Studierender droht durchzufallen und leidet unter Prüfungsangst. Das Thema Prüfungsangst könnte von einer spezialisierten Beratungsstelle bearbeitet werden. Das Thema, wie man gut durch die Prüfung kommt und sich entsprechend vorbereitet, bliebe bei der Lehrperson.
Sie können sich fragen: Wo liegen die Chancen und wo liegen die Grenzen von Beratung im Lehrkontext, wann muss ich auf andere Stellen verweisen? Und kenne ich diese überhaupt? Recherchieren Sie zu Beratungsangeboten an Ihrer Hochschule und tragen Sie die Links ein.
Im Gegensatz zur klassischen psychosozialen Beratung sind Beratungen im Lehrkontext häufig stärker informationsbezogen. Doch auch die reine Informationsweitergabe ist häufig in Beratungsprozesse eingebettet, wenn es etwa darum geht, die Informationen richtig zu verarbeiten und einzuordnen und daraus Entscheidungsrückschlüsse zu ziehen. Zudem bleibt die Konfrontation mit den Alltagsproblemen der Studierenden in der Regel nicht aus, wie bereits gezeigt wurde.
Gemein ist somit allen Beratungsformen die Anforderung, eine Bindung zur ratsuchenden Person aufzubauen, die eine gemeinsame Arbeit an einem Thema erst ermöglicht. Der Gestaltung der Kommunikation in diesen Beratungsszenarien kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, trägt sie doch maßgeblich zu einer tragfähigen Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden und somit zur erfolgreichen Bewältigung des Beratungsanliegens bei.
Denn Lehrende sollen in der Lage sein, Ratsuchende dazu zu befähigen, ihre individuelle Situation zu reflektieren, neue Perspektiven zu gewinnen und geeignete Handlungsstrategien zu entwickeln. Dies erfordert nicht nur ein fundiertes Fachwissen, sondern auch empathische und kommunikative Fähigkeiten seitens der Lehrenden. Aber was sind die Merkmale einer „guten“ Beratung?
Schauen Sie sich die folgenden zwei Beispiele einer nicht-gelungenen und einer gelungenen Beratung an, um einen ersten Eindruck zu erhalten, worauf Beratende achten können. Machen Sie sich gern Notizen, was Ihnen positiv und was Ihnen negativ auffällt.
Die beiden Beispiele geben erste Einblicke in Methoden und Techniken der Gesprächsführung im sogenannten kopräsenten Face-to-Face-Setting, also bei räumlich und zeitlich paralleler Anwesenheit beider Kommunikationspartner. Beratung findet mittlerweile aber auch vielfach digital statt, wodurch die Gesprächsführung nicht 1:1 übertragen werden kann.
Was ist das Besondere einer digitalen Beratung?
Die digitale Transformation der Gesellschaft durchdringt sowohl Lehrarrangements als auch die zahlreichen Beratungsanlaufstellen der Hochschulen. Es existieren mittlerweile zahlreiche hybride oder komplett digitale Formate und Kommunikation findet vielfach zeit- und ortsungebunden statt. Diese Veränderungen erfordern von Lehrenden neue Kompetenzen, um den Chancen und Herausforderungen zu begegnen, die damit einhergehen – auch in Beratungssituationen. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wirkt sich auch auf die Kommunikation und Beziehung zwischen Beratenden und Ratsuchenden aus. Beratungsstrategien müssen an die veränderte Beratungssituation angepasst und die Besonderheiten und Fallstricke von Onlinekommunikation berücksichtigt werden.
Die Bedeutung digitaler Kommunikation nimmt auch für Studierende zu, müssen auch sie den Anforderungen an Flexibilität, Effizienz und Vernetzung in einer globalisierten und digitalisierten Gesellschaft gerecht werden. Darüber hinaus hat sich digitale Kommunikation zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Lebenswelt von Studierenden entwickelt. In einer Ära, die von fortwährender Digitalisierung und Technologie geprägt ist, spiegelt sich die zunehmende Bedeutung digitaler Kommunikationsmittel in sämtlichen Aspekten des studentischen Lebens wider. Studierende nutzen digitale Kommunikation, um flexibel und mobil zu interagieren. Egal, ob es um die Organisation von Gruppenprojekten, den Austausch von Informationen oder die Teilnahme an virtuellen Vorlesungen geht. Der Einsatz digitaler Kommunikationsmittel trägt deshalb dazu bei, die Lern- und Studienerfahrung zu optimieren und die Studierenden besser auf die Herausforderungen der modernen Welt vorzubereiten.
Um die Begleitung und Beratung von Studierenden auch online professionell und zielführend zu gestalten, können Lehrende vielfältige Kompetenzen erwerben.
Um diese Kompetenzen zu erwerben, empfehlen wir Ihnen, den Kurs „Digital begleiten und beraten in der Lehre“ zu absolvieren. Gerne begrüßen wir Sie auch in einem unserer anderen Kurse, z.B. „Einführung in die Onlineberatung“.
Literatur
- Ampofo, J., Bentum-Micah, G., Xusheng, Q., Sun, B. & Mensah Asumang, R. (2025): Exploring the role of teacher empathy in student mental health outcomes: a comparative SEM approach to understanding the complexities of emotional support in educational settings. Frontiers in Psychology, 16. https://www.frontiersin.org/journals/psychology/articles/10.3389/fpsyg.2025.1503258/full
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)(2023): Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung. Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021
- Deptolla, Z., Radtke, J. (2023): Der Bielefelder Fragebogen zu Studienbedingungen und Gesundheit. Report für die TH Nürnberg / Ohm zu den zentralen Ergebnissen der HealthyOhm Studierendenbefragung, https://www.th-nuernberg.de/fileadmin/abteilungen/hsfg/hsg/hsg_docs/2023-07_Ergebnisreport_THNürnberg.pdf, abgerufen am 23.07.25
- Deutsches Studentenwerk (1999): Studium und psychische Probleme. Sonderauswertung zur 15. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.
- Görl-Rottstädt, D., Riedel, J., König, K. & Pittius, K. (2021): Zwischen digital und analog – ein Vergleich klassischer und digitaler Ansätze von Lernberatung und Lernbegleitung im berufsbegleitenden Studium. DOI: https://doi.org/10.26204/KLUEDO/6451
- Helmchen, R.M., Sendatzki, S., Rathmann, K., Dadaczynski, K. (2022): Der Zusammenhang von Gesundheit und Studienerfolg bei Studierenden. Erste Ergebnisse einer datenbankbasierten Literaturübersicht. Poster zum Thema: Wissenschaftlicher Nachwuchs. Gesundheitswesen 2022; 84(08/09): 817. DOI: 10.1055/s-0042-1753840
- Hochschulrektorenkonferenz (2010): Weiterführung der Bologna-Reform – Kontinuierliche Qualitätsverbesserung in Lehre und Studium. Entschließung vom 11.5.2010, https://www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/weiterfuehrung-der-bologna-reform-kontinuierliche-qualitaetsverbesserung-in-lehre-und-studium/, abgerufen am 23.07.25
- Klein, A. (2022): Mit Freude lehren. Was eine coachende Haltung an der Hochschule bewirkt. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich.
- Mann, S., Wopat, K., Eulitz, M. (Teil A und D), Bienert, J. (Teil D), Blumenthal, E. (Teil D), Lorz, F. (Teil D), Wand, T. (Teil D), Winkler, K (Teil D)(2022): Beratungs- und Coachinginstrumentarium für Studienzweifelnde und -abbrechende mit psychischen Belastungen und einem besonders hohen Orientierungsbedarf. Quickstart Sachsen+, https://studienabbruch-und-weiter.de/wp-content/uploads/2022/07/Handreichung_final_Korrektur_010722.pdf, abgerufen am 09.10.23
- Schuhr, J. (2024): Wie können Hochschulen komplexe Krisen Studierender begleiten?, https://hochschulforumdigitalisierung.de/tool-nr-4-komplexe-krisen-studierender/, abgerufen am 23.07.25
- Schuhr, J. & Brock, T. (2024): Gesundheitsstandort Hochschule: Welche Herausforderungen und Chancen bieten digitale Lehrräume für die psychosoziale Gesundheit und Diversität von Studierenden? In: Witt, T., Herrmann, C., Mrohs, L., Brodel, H., Lindner, K., Maidanjuk, I. (Hrsg.): Diversität und Digitalität in der Hochschullehre. Innovative Formate in digitalen Bildungskulturen, Bielefeld: transcript Verlag.
- Sendatzki, S. & Rathmann, K. (2022) : Unterschiede im Stresserleben von Studierenden und Zusammenhänge mit der Gesundheit. Ergebnisse einer Pfadanalyse. In : Prävention und Gesundheitsförderung 4, S.416-427. https://doi.org/10.1007/s11553-021-00917-x
- Sickendiek, U. (2021): 1.1.1 Beratungsselbstverständnis(se). In: Grüneberg, Blaich, Egerer, Knickrehm, Liebchen, Lutz, Nachtigäller, Thiel (Hrsg.)(2021): Handbuch Studienberatung : Berufliche Orientierung und Beratung für akademische Bildungswege, Band 1. 1. Auflage. Bielefeld: wbv Publikation.
- Thomann, G. & Pawelleck, A. (2013): Studierende beraten. Opladen & Toronto: Verlag Barbara Budrich.
- Weber, R. (2024): Fehlendes Wissen und Angst vor Stigma. Wie belastet sind Studierende und was fehlt uns an Wissen darüber? In: Forschung & Lehre, 31 (2024) 2, S. 110-112.
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